Ich hatte das Glück, ab 2012 in China zu unterrichten. 2019 habe ich mich aus politischen Gründen entschieden, nicht mehr in China zu unterrichten.
Hier die Begründung: Freiheit ist unverzichtbar!
Die transkulturelle Erfahrung, über die ich sehr sehr dankbar bin, bleibt:
Systemisch-entwicklungsorientierte Paartherapie in China
2015 starteten wir mit dem ersten Seminar in systemisch-entwicklungsorientierter Paartherapie. Auf Grund der großen Nachfrage wurden wir 2018 erneut nach Beijing eingeladen, um dort einen Aufbau-Kurs in Paartherapie zu geben. Organisation: DCAP (Doris Biedermann), Institute of Mental Health Beijing University (Prof. Dr. Tang Denghua, Sixth Hospital Beijing), und Clinical Psychology Center of Beijing University (Dr. Lin Hong, Sixth Hospital Beijing).
Vortrag am 16.9.2018 auf dem First Chinese Marriage and Family Psychological Health Congress zum Thema „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Paartherapie in Deutschland“.
Vom 19.-24.9.2018 fand dann im 6. Psychiatrischen Krankenhaus der “Advanced Chinese-German Systemic Couple Therapy Workshop” statt.
51 Teilnehmerinnen und 5 Teilnehmer aus vielen Gegenden Chinas – PsychiaterInnen, PsychologInnen, Sozialarbeiterinnen, Krankenschwestern, hoch motiviert, wissbegierig, aufgeschlossen, offen auch für ungewohnte Lehr- und Lernmethoden, durchaus kritisch und auseinandersetzungsfreudig (was wir gerne ermuntern). Die Inhalte hatten wir, aufbauend auf unseren Erfahrungen 2015, um einiges verändert und erweitert. Der Schwerpunkt lag nun mehr auf Selbsterfahrung und Themen, die die KollegInnen selbst einbringen und als relevant für ihre Arbeit betrachten.
Themenliste (Auszug): Kommunikationsprobleme, Krisen, Uneinigkeit in der Kindererziehung, Untreue, Trennung / Scheidung, Ökonomische Probleme, Konflikte mit der Herkunftsfamilie, Homosexuelle Partnerschaften, Gewalt in Partnerschaften, …
Im Denken, Fühlen und Handeln von ChinesInnen sind Paar-Beziehungen immer in familiäre Netzwerke eingebunden – ohne die familiären Beziehungen kann die Paar-Beziehung weder gedacht noch verstanden werden. Paarbeziehungen werden einerseits noch immer stark von traditionellen Rollenerwartungen, konfuzianischen Rollenvorgaben und überlieferten typischen Rollendynamiken bestimmt – andererseits stehen Partner und Partnerschaften, ähnlich wie in westlichen Ländern, unter einem enormen Veränderungs-, Anforderungs- und Erwartungsdruck. „High stability, low quality“ ist weit verbreitet, wird aber nicht mehr klaglos akzeptiert, vor allem von den Frauen. Diese fordern emotionale Präsenz, Gesprächs- und Verhandlungsbereitschaft von ihren Partnern ein, diese stehen diesem Ansinnen eher hilflos gegenüber.
Meta-Kommunikation – jenseits von Liebesgeflüster und konkreten Alltagsgeschehen über sich in der Beziehung oder über die Beziehung selbst miteinander sprechen – kommt in der konfuzianisch geprägten chinesischen Kultur kaum vor. Der rasante gesellschaftliche Wandel und Umbruch erfordert aber genau das: partnerschaftliches Verhandeln und Aushandeln von Beziehungsformen, Beziehungsmodellen, Beziehungsstilen und – verhalten. Beziehungsverstehen und Beziehungsgestaltung spielen eine zentrale Rolle in der chinesischen Kultur, trotzdem tut sich hier eine Lücke auf. Entsprechende soziale Verwerfungen, körperliche und emotionale Probleme sind die Folge.
Dass es bereits chinesische Paare gibt, die die Zukunft leben, zeigte eine Life-Konsultation sehr anschaulich. Eine Teilnehmerin schrieb: „You may do not know that I have shared your presentation and workshop in Chengdu. More than 20 people experienced your unique treatment method of the couple therapy. They love this way. You will get it from their face“ und schickte dazu dieses Foto: