Transkulturelle Erfahrung in China


Zong de Ban. Zwischen 2012 und 2018 waren wir eingeladen als Teil eines deutsch-chinesischen Trainerteams (DCAP) systemische Familientherapie an der Tongji Universität in Shanghai und Paartherapie an der Peking Universität zu unterrichten. Wir begegneten aufgeschlossenen chinesischen Kolleg:innen voller Hoffnung und Neugier. Inhaltlich gab es in dieser Zeit für uns keinerlei fachliche Beschränkungen. Ich erlebte die Zusammenarbeit als produktive gegenseitige Irritation. Gleichzeitig veränderten sich die politischen Rahmenbedingungen radikal. Lea Sahay beschreibt diese Entwicklung in ihrem Buch Das Ende des chinesischen Traums sehr anschaulich.2019, noch vor der Corona Pandemie, entschied ich mich aus fachlichen Gründen nicht mehr in China zu unterrichten (mehr dazu: Psychotherapie unterrichten in China – achte Thesen zur Kooperation). Was bleibt ist eine fantastische Erfahrung, meine Liebe zu Land und Leuten, Trauer und die Hoffnung auf Sicherheit und Freiheit für die Menschen in China.

Der Machtantritt von XI beendete systematisch, Schritt für Schritt die Ära der pragmatischen Öffnung. Unter XI’s Führung restaurierte die KP ihre Macht und eine neue Ära des ideologischen Primats wurde eingeleitet, wie in den Zeiten Maos. Seither entwickelt sich das chinesische Regime von einem autoritären zu einem totalitären Regime mit imperialem Gestus. 2019, noch vor der Corona Pandemie, entschied ich mich nicht mehr in China zu unterrichten. (mehr dazu: Psychotherapie unterrichten in China – achte Thesen zur Kooperation). Ich wollte nicht schweigen.

Menschenrechte und Freiheitsrechte werden massiv eingeschränkt und verletzt, Kritiker eingeschüchtert, „westliche Ideologien“ aktiv  bekämpft. Personenkult, Zensur, Druck und Propaganda sind allgegenwärtig. Viele Chinesen sehnen sich nach Freiheit und träumen davon, das Land zu verlassen. Die KP baute die muslimische Region Xinjiang zu einem „Lagerstaat kulturrevolutionärer Prägung“ aus. Der pulsierenden Metropole Hongkong brach das Regime entgegen aller Abmachungen das demokratische Rückgrat. Hunderttausende flohen. Taiwan soll unbedingt heimgeholt werden ins Reich der Mitte. Kritische europäische Intellektuelle und Parlamentarier werden in Europa bespitzelt, eingeschüchtert und unverhohlen bedroht. Ausländer in China können nach der neuen Gesetzgebung jederzeit im Gefängnis landen. Demokratische Werte (Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung, Zivilgesellschaft) werden offiziell als „verworrener Wahnsinn“ geschmäht. Das XI-Regime will eine neue autoritäre Weltordnung ohne individuelle Freiheiten und Rechte. Patientenrechte, die eine authentische therapeutische Allianz erst ermöglichen, sind daher in China heute nicht tatsächlich geschützt (siehe dazu: Zum Schutz des therapeutischen Raumes – Schweigepflicht und Datenschutz in Europa und China), es fehlen also die grundlegenden Voraussetzung einer Psychotherapie, wie sie in Europa entwickelt wurde.

Einen Eindruck der wertvollen transkulturellen Erfahrung in China vermittelt der Bericht von Inge Liebel-Fryszer: 2013_Liebel-Fryszer_China

Fotoimpressionen China