Transkulturelle Erfahrung in China

 

Der Respekt vor dem Vielvölkerstaat China und die Würdigung seiner Geschichte (Arte Mediathek) ist das eine – das andere ist die kritische Auseinandersetzung mit der aktuellen Politik Chinas auf der Grundlage  europäischer Werte. „Einander als Angehörige verschiedener Kulturen zu verstehen, heißt nicht zu evaluieren, was es jeden kostet, den jeweils anderen gleich zu werden, sondern wechselseitig zu verstehen, was uns trennt, und die jeweilige Andersartigkeit zu akzeptieren“ schreibt Umberto Eco (Der ewige Faschismus, 2020, S. 74). Das kann nur auf der Basis gegenseitigen Respekts gelingen. 

Zwischen 2012 und 2014 unterrichtete ich im Rahmen der DCAP und als Teil eines deutsch-chinesischen  Trainerteams systemische Familientherapie an der Tongji Universität Shanghai und der Peking Universität. Daran anknüpfend wurden meine Frau Eva und ich 2015 und 2018 nach Peking eingeladen, um dort Paartherapie zu unterrichten. Eine transkulturelle Erfahrung, die uns nicht loslässt (im Sinne einer reziproken Ethologie (Eco), in der sich Vertreter:innen unterschiedlicher Kulturen begegnen und zeigen, wie unterschiedlich Menschen auf gleiche Erfahrungen reagieren können).

Wir begegneten aufgeschlossenen chinesischen Kolleg:innen voller Hoffnung und Neugier. Gegenseitige Irritationen im transkulturellen Austausch sind die Regel,  im Rahmen von gegenseitigem Respekt konnten Unterschiede jedoch immer  besprochen werden. Auf diese Weise kann das „Fremde“ für den Blick auf sich selbst fruchtbar werden. Inhaltlich gab es in dieser Zeit keinerlei Beschränkungen.

Gleichzeitig veränderten sich die politischen Rahmenbedingungen radikal. Der Machtantritt von XI beendete systematisch, Schritt für Schritt die Ära der pragmatischen Öffnung. Unter XI’s Führung restaurierte die KP ihre Macht und eine neue Ära des ideologischen Primats wurde eingeleitet, wie wir sie aus den Zeiten Maos kennen. Seither entwickelt sich das chinesische Regime von einem autoritären zu einem totalitären sozialistischen Regime mit  imperialem und hegemonialem Anspruch, wirtschaftlich mächtig, digital angetrieben und überwacht, im Kern jedoch ideologisch ausgerichtet und gesteuert (mehr dazu: Interview auf 3-sat) . 

Menschenrechte und Freiheitsrechte werden massiv eingeschränkt und verletzt, „westliche Ideologien“ aktiv  bekämpft. Die KP baute die Muslim-Region Xinjiang zu einem „Lagerstaat kulturrevolutionärer Prägung“ aus. Der pulsierenden Metropole Hongkong brach sie das demokratische Rückgrat. Taiwan wird bedroht. Das eigene Gesellschaftssystem wird propagandistisch gefeiert während  demokratische Werte (Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung, Zivilgesellschaft) offiziell als „verworrener Wahnsinn“ geschmäht werden.  

Dieser veränderte Kontext, der ohne Realitätsverlust nicht verdrängt werden kann, schränkt den Möglichkeitsraum für Kooperationen im Feld von Beratung und Psychotherapie empfindlich ein (siehe dazu: Zum Schutz des therapeutischen Raumes – Schweigepflicht und Datenschutz in Europa und China).

im Jahr 2019, noch vor der Corona Pandemie, entschied ich mich daher, das Projekt Paartherapie in China nicht weiter zu verfolgen. (mehr dazu: Psychotherapie unterrichten in China – achte Thesen zur Kooperation).

Es bleibt die transkulturelle Erfahrung,  der intensive, menschliche und beglückende Austausch mit den chinesischen Kolleg:innen. Eine wertvolle Inspiration – für sich genommen zuversichtlich stimmend, im aktuellen politischen Kontext betrachtet beunruhigend. Der von China ausgelöste und aggressiv betriebene „Wettbewerb der Systeme“ zwingt alle Beteiligten, sich zu positionieren. Ich bevorzuge in dieser Hinsicht einen klaren Standpunkt.

 Einen Eindruck der wertvollen transkulturellen Erfahrung in China vermittelt der Bericht von Inge Liebel-Fryszer: 2013_Liebel-Fryszer_China 


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Beijing
































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