Siri Hustvedt über Eliten

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13. Warum halten die meisten Amerikaner den Begriff »Elite« für etwas Schlechtes?

Als ich in einer Kleinstadt in Minnesota aufwuchs, waren mit Eliten Banker (sprichJuden), Stadtmenschen und Professoren gemeint, denen allesamt vorgeworfen wurde,rechtschaffene Nor­ malbürger herablassend zu behandeln. Dieses Gefühl gibt es nicht nur in den USA, aber die Wut der MAGA-Bewegung wird vom alten populistischen, antiin­ tellektuellen Treibstoff angetrieben. Auch Gott wird häufig beschworen: Wir· vertreten die Wahrheit. Dass ein Land viele verschiedene Arten von Menschen mit vielen verschiedenenGeschichten braucht, die viele verschiedene Dinge tun, darunter Menschen, die jahrelangin einem Labor gearbeitet oder Gedichte · geschrieben oder die einfach nur gelesen 1:1nd intensiv und leidenschaftlich darü­ ber nachgedacht haben, warum die Din­ ge so sind, wie sie sind, hat in MAGA­ Land keinen Platz, weil das bedeuten würde, Pluralismus, Unterschiede, ver­ schiedene Weltsichten und Unsicherheit zu akzeptieren. Es besteht kein Zweifel darandass·viele Menschen, die sich durch Geld, Bildung oder einfach nur Glück in der „Elite“ wiederfinden, genauso selbstgefallig, stur und von ihren zweifelhaften Wahrheiten überzeugt sind wie ihre Mitbürger mit den roten Kappen. Es-sind die Kategorien selbst, die verzerrt sind. Einfach nur gute Menschen gegen finstere, verschwörerische Eliten auszuspielen, mag zwar die Erleichterung verschaffen, die ein Sünden­ bock zu bieten hat, aber wenn uns die Geschichte eines lehrt, dann, dass der Engel-Teufel-Dualismus nicht nur ge­fährlich, sondern auch tödlich ist.

Face-to-face: Gemeinsam in einer Situation da sein

Veröffentlicht am Posted in Entwicklungsräume, Mediale Räume, Raum&Zeit, Resonanz&Mitgefühl

Die besondere Qualität von Face-to-face-Situationen wird offenbar, wenn wir auf andere mediale Räume angewiesen sind. Schreiben, Telefonieren, Skypen. Aber worin besteht diese Qualität genau, was sind die Unterschiede? Verschiedenste Faktoren wirken ineinander. Ein wesentlicher Faktor ist die Situation.

In einer Face-to-face-Situation teilen wir mit anderen beteiligten dieselbe Situation, dieselbe Umgebung.

Das ist beim Schreiben und telefonieren aber auch beim skypen anders. Beim skypen sehen wir die Beteiligten auf einem Bildschirm, sie befinden sich jedoch in anderen Situationen und Umgebungen. Das ist ein Unterschied, der offensichtlich und gut spürbar einen erheblichen Unterschied macht.

Die gemeinsam geteilte Situation und Umgebung erlaubt viel weitergehende, in der Summe ganz andere Resonanzen. „…Die Situation, die Umgebung, all das hebt uns den Menschen in den Blick, bringt uns nahe. Es ist ein Innewerden“ schreibt Uwe Timm (Ikarien, S. 421).

Wir existieren im miteinander Tun und miteinander Sprechen.