Fünf Milieufaktoren, die den Missbrauch von Macht und Gewalt begünstigen

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Das Monströse ist immer menschengemacht. Ob es um Familienstrukturen, Kirchenstrukturen, Schulstrukturen, Organisationen oder staatliche Strukturen geht – alle Untersuchungen und Tatsachen zu diesem Thema verweisen auf fünf herausragende kulturübergreifende Milieufaktoren, die ein erheblich erhöhtes Risiko für den Missbrauch von Macht und Gewalt darstellen:

(A) Strikte und starre Hierarchien und damit verbundene Loyalitätsbindungen,

(B) Abschottung nach Außen und „Omerta“ (ein Verschwiegenheitsgebot und eine Verschwiegenheitsmentalität, die Täter schützt und Opfer einschüchtert),

(C) Großes Machtgefälle innerhalb der Hierarchien und „Kadavergehorsam“,

(D) Personale Überhöhung/ Idealisierung/(Geniekult) von systemimmanenten Personen und Funktionsträgern, die angeblich einen „besonderen“, privilegierten Zugang zu einem „höheren (geheimen) Wissen“, zu einer besonderen Weisheit, zu etwas Heiligem, oder einem übergeordneten Ideal besitzen (Götter, höhere Weisheiten, „der Wille des Volkes“, „der Mission des Proletariats…).

(E) Herabsetzung, Verachtung oder Dämonisierung aller „Andersartigen“ (Personen, Gemeinschaften, Völker, Weltanschauungen, Lebensstile, Gesellschaftsentwürfe). Wohl zu unterscheiden von Kritik!

Gemeinschaften oder Milieus, die sich auf die beschriebene Weise organisieren, bergen – egal in welcher Kultur, an welchem Ort oder zu welcher Zeit – ein erheblich erhöhtes Risiko für den Missbrauch von Macht und Gewalt (gewaltsame körperliche, mentale oder psychische Übergriffe) – sowohl gegenüber Einzelnen als auch gegenüber Gruppen oder ganzen Gemeinschaften oder Völkern

Kränkungs-Toleranz (Ludwig Marcuse)

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Toleranz mag weder Zeigefinger noch Gesinnungsterror:

„Toleranz heißt: seine heiligen Gefühle nicht profanieren zu einer Bevormundung des Nebenmenschen. Man zweifelt doch sehr an der Heiligkeit von Gefühlen, die sich weniger in einem beseligenden Glauben äußern als im Hass gegen die Manifestationen der Ungläubigen“

(Ludwig Marcuse)

Plus: „Die Privilegien im Anstoßnehmen müssen endlich aufhören“

 

Die Würde des Menschen

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Die Würde des Menschen ist verletzlich, und kann doch durch keine Tat verloren gehen oder zerstört werden. Die Würde des Menschen kennt keine Form oder Farbe, sie ist weder an ein Geschlecht oder eine sexuelle Orientierung gebunden noch an irgendeine Weltanschauung oder  Identität. Die Würde gilt zu jeder Zeit und sie ereignet sich überall dort zwischen Menschen, wo diese sich gegenseitig bei aller Verschiedenheit als Menschen anerkennen. All das meinen wir, wenn wir sagen, die Würde des Menschen ist unantastbar.

JB

Meinungsfreiheit pflegen

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Diskussion und Debatten wagen
Abweichende Ideen würdigen
Unterscheidungen herausarbeiten
Kritik wertschätzen
Minderheitenmeinungen schützen
Offenheit zum Gegensätzlichen praktizieren

und alle Attacken gegen die Freiheit der Meinungen bekämpfen

(Frei nach Marion Gräfin Dönhoff, Herausgeberin der Zeit)

radical hope

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Radikale Hoffnung in Zeiten existenziellen Wandels

Was bedeutet es, radikal zu hoffen? Radikal kann ein Hoffen genannt werden, das sich schonungslos und ohne Tabus den Fakten stellt und sich auf Tatsachen bezieht. Hoffnungsvoll radikal können wir uns bewegen, wenn wir die Ambivalenz der menschlichen Evolution erkennen, wenn wir bewusst eine Richtung einschlagen, die unser zerstörerisches Potenzial transformiert, und wenn wir Räume schaffen, in dem sich unser produktives Potenzial entfalten kann.

Hoffnungsvoll handeln heißt, das zu tun, was aus Sicht der Zukunft sinnvoll wäre. JETZT. Die Geschichte einer realistischen Transformation unserer Zivilisation können wir erfinden, wenn wir losgehen und uns auf das Ungewisse einlassen.

In Henning Mankells Roman »Der Chronist der Winde« irrt der neunjährige Ne-
lio, der seine Familie verloren hat, im Busch umher und trifft dabei auf den Zwerg
Yabu Bata, der dem Jungen erlaubt, sich ihm anzuschließen. Irgendwann sagt der
Zwerg: »Jetzt will ich auf deine Frage antworten, wohin ich unterwegs bin. Ich habe
geträumt, dass ich mich auf eine Wanderung begeben und einen Pfad suchen soll,
der mir das rechte Ziel weist.« »Was für einen Pfad?«, fragt der Junge. »Den Pfad,
von dem ich geträumt habe. Der mich zum rechten Weg führen soll. Frag nicht so
viel. Wir haben noch weit zu gehen.« »Woher weißt du das?« Yabu Bata sah ihn
verwundert an, bevor er antwortete: »Ein Pfad von dem man geträumt hat und der
einen Menschen zum rechten Ziel führen soll, kann nicht in der Nähe liegen«, ant
wortete er schließlich, »was wichtig ist, ist immer schwer zu finden« (Mankell, 2002,
S. 76).

Umwelt-Verantwortung

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Egal, wie umweltbewusst man lebt, die Probleme hören nicht auf. Wie geht man damit um?
Eine Kolumne von ZEITMAGAZIN NR. 47/2020

Wenn man sich mit Umweltthemen beschäftigt, bekommt man schnell das Gefühl der Ausweglosigkeit. Selbst wenn man sich in jedem Bereich seines Lebens ökologisch einigermaßen korrekt verhielte, gibt es ja immer noch die, die es nicht tun. Abgesehen davon, dass man es natürlich selbst niemals schaffen würde. Es ist das Gefühl der Ohnmacht, von dem man weiß, dass es Menschen depressiv macht: Was auch immer man tut, es ist nie genug. Die schlechten Nachrichten reißen trotzdem nicht ab.

Ich hatte Menschheit gesagt, aber Eser differenzierte diesen Begriff erst mal: „Nicht jeder Mensch ist in gleicher Weise Teil des Problems. Gerade ist eine Studie herausgekommen, die zeigt, dass nur zehn Prozent der Menschheit für die Hälfte der CO₂-Emissionen verantwortlich sind. Aber klar, das ist superfrustrierend: Selbst wenn man ganz viel richtig macht, ist die Gesamtmenge, die man emittiert, allein dadurch, dass man in einer industrialisierten Gesellschaft lebt, viel zu hoch.“

„Genau das macht mich ja so fertig: Ich sündige, egal wie sehr ich mich anstrenge“, sagte ich.

„Ich würde zunächst mal gern den Begriff der Sünde hinterfragen – besser ist der Begriff der Verantwortung. Verantwortung übernimmt man, und es gehört dazu, dass es eine Grenze gibt: Man ist für das eigene Handeln verantwortlich, aber für das der anderen nicht. Das Schwierige ist, dass das, was der Einzelne tut, nicht reicht. Der Dampfer fährt, und wenn einer einen Anker ins Wasser hängt, dann bringt das gar nichts. Und deshalb muss es politisch verhandelt werden.“

„Aber immer wenn ich zu diesem Gedanken gelange“, sagte ich, „lässt meine Selbstdisziplin nach, und ich kaufe Dinge, von denen ich schon im Moment des Kaufens weiß, dass ich sie nicht brauche.“

„Für mich ist das auch eine Frage der Selbstachtung: Verhalten, das man als falsch erkannt hat, sein zu lassen. Nicht aus der Illusion, man könne die Welt verändern, sondern aus dem Bedürfnis heraus, im Einklang mit den eigenen Überzeugungen zu leben.“

„Und es ist ja nicht so, dass wir kollektiv nicht handeln können“, fuhr Eser fort. „Das hat Corona gezeigt, die politische Ansprache, die neu ist: ›Ihr müsst es nicht gut finden, aber wir müssen das jetzt machen, weil sonst etwas passiert, das noch viel unangenehmer ist.‹“

„Und diese Ansprache fehlt in Umweltfragen?“

„Genau. Je weniger Regulierung man sich zutraute, desto mehr setzte man stattdessen auf Umweltbildung. Nach dem Motto: Wir müssen schon in der Schule den Kindern sagen, was das Problem ist. Dabei sollte man die Kinder damit in Ruhe lassen.“

„Und was genau ist noch mal das Problem?“

„Und was mache ich jetzt?“

„Ich zitiere da immer gerne diesen Satz von Fulbert Steffensky, dem Theologen: ›Hoffen heißt handeln, als wäre Rettung möglich. Es ist aber nicht ausgemacht, dass unsere Mühe auch zur Rettung führt.‹“

Das ist nun wirklich kein optimistischer Satz, aber seit ich ihn kenne, bin ich weniger verwirrt.

Unterschiede unterscheiden

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Wir sind alle homo sapiens. Homo sapiens zeichnen sich u.a. durch ihre enorme Unterschiedlichkeit und Vielfalt aus. Kein menschliches Exemplar gleicht dem anderen vollkommen, und doch gehören alle lebenden Menschen nachweisbar zu derselben Spezies. Das finde ich wunderbar.

Auch das Fühlen, Denken und der Umgang mit dem Anderssein, dem Anderen oder mit Anderen, kann sehr unterschiedlich sein. Wie gehen wir mit solchen Unterschieden im Unterscheiden angemessen um?

Ich schlage hier eine Unterscheidung vor, die mir nützlich zu sein scheint, um mich angemessen zu positionieren und zu verhalten:

(A) Fremdeln gegenüber dem Andersseins/dem Anderen/“den“ Anderen.
Ein Gefühl des Fremdseins, des sich Fremdfühlens das ich für „normal“ halte.

(B) Ressentiments gegenüber dem Anderssein/dem Anderen/“den“ Anderen.
Gefühle, Gedanken und Umgangsweisen, die mich daran hindern das Anderssein/das Andere/die Anderen in seinem/ihrem so sein wahrzunehmen und zu entdecken. Eine Möglichkeit also, die eigene Entwicklung einzuschränken oder zu blockieren. 

(C) Rechtfertigungsideologien für Gewalt gegen das Anderssein/das Andere/“die“ Anderen.
Beispiele: Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Faschismus, Stalinismus, religiöser Fundamentalismus, Nationalismus.

Ich nehme an, die Nichtbeachtung oder Nichtwürdigung von (A) und (B) begünstigt eine Entwicklung hin zu (C).

Face-to-face: Gemeinsam in einer Situation da sein

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Die besondere Qualität von Face-to-face-Situationen wird offenbar, wenn wir auf andere mediale Räume angewiesen sind. Schreiben, Telefonieren, Skypen. Aber worin besteht diese Qualität genau, was sind die Unterschiede? Verschiedenste Faktoren wirken ineinander. Ein wesentlicher Faktor ist die Situation.

In einer Face-to-face-Situation teilen wir mit anderen beteiligten dieselbe Situation, dieselbe Umgebung.

Das ist beim Schreiben und telefonieren aber auch beim skypen anders. Beim skypen sehen wir die Beteiligten auf einem Bildschirm, sie befinden sich jedoch in anderen Situationen und Umgebungen. Das ist ein Unterschied, der offensichtlich und gut spürbar einen erheblichen Unterschied macht.

Die gemeinsam geteilte Situation und Umgebung erlaubt viel weitergehende, in der Summe ganz andere Resonanzen. „…Die Situation, die Umgebung, all das hebt uns den Menschen in den Blick, bringt uns nahe. Es ist ein Innewerden“ schreibt Uwe Timm (Ikarien, S. 421).

Wir existieren im miteinander Tun und miteinander Sprechen.

 

 

 

 

 

 

Die Seele als Verbindung von Gefühl und Verstand

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Angenommen das, was wir Seele nennen, wäre etwas, das zwischen Gefühl und Verstand vermittelt. Etwas das verbindet. Unsere Seele bezöge sich dann auf das Körperliche, wäre aber selbst körperlich nicht lokalisierbar.

Immerhin wäre der „Seelenarzt“ dann jemand, der versucht, seine Klienten in einen Zustand zu versetzen, in dem sie ihre Gefühle und ihren Verstand (wieder) verbinden können. Auf eine neue, überraschende, angemessene, vielleicht passende Weise.

Mir gefällt dieser Gedanke, weil er ganz gut beschreibt, was ich tue. Auch wenn die Rede von der Seele etwas altmodisch klingt.

„Das Glücksversprechen der Harmonie ist nicht dem Verstand allein abzuringen, die Seele gehört dazu, eine Vorstellung, die wir in unseren Wissenschaften verloren haben, die Seele als ein zwischen dem Gefühl und dem Verstand Vermittelndes“

(Uwe Timm, Ikarien, S. 460)

Erika Freeman: besser glücklich sein

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„Unglücklichsein zu sein macht dich auch nicht schlauer“

„Das Schlechte ist schlecht genug, da kann man sich auf das Gute konzentrieren“

„man muss schlimme Erinnerungen anerkennen und dagegen ankämpfen, aber sie sich nicht zu Herzen nehmen. man soll sich nicht zum Opfer machen“

Erika Freeman
(Interview mit Annabel Wahba, SZ Magazin 14.5.2020)

Rilke über Geduld und Entwicklung

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Was mich bewegt
von Rainer Maria Rilke

Man muss den Dingen
die eigene, stille,
ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt,
und durch nichts gedrängt
oder beschleunigt werden kann;
alles ist austragen –
und dann
Gebären…
Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen
des Frühlings steht,
ohne Angst,
dass dahinter kein Sommer
kommen könnte.
Er kommt doch!
Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die da sind,
als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,
so sorglos still und weit …
Man muss Geduld haben,
gegen das Ungelöste im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
geschrieben sind.
Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt,
lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antwort hinein.